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Impuls zum 17. November 2024

Zum 33. Sonntag im Jahreskreis

Von Odilo Metzler, Stuttgart, pax christi-Bundesvorstand

Wie der Feigenbaum

1. Lesung: Dan 12,1-3: Es kommt eine Zeit der Not

2. Lesung: Hebr 4,14-16: Jesus hat uns mit Gott versöhnt, es braucht keine Opfer

Evangelium: Mk 13,24-32: Wachsamkeit und Zuversicht
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
In jenen Tagen, nach jener Drangsal, wird die Sonne verfinstert werden
und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen
und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.
Dann wird man den Menschensohn in Wolken kommen sehen,
mit großer Kraft und Herrlichkeit.
Und er wird die Engel aussenden und die von ihm Auserwählten
aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, 
vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels.
Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum!
Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, 
erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist.
So erkennt auch ihr, wenn ihr das geschehen seht, dass er nahe vor der Tür ist.
Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles geschieht.
Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.
Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel,
nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater.

Gedanken zum Evangelium 
Das Bild von der bevorstehenden Drangsal und Erschütterung passt in unsere Gefühlslage der Krisen und Kriege, der Verunsicherungen und Ängste, dass internationale Ordnungen und Staaten wanken, Spannungen und Spaltungen zunehmen, die Erderwärmung in Naturkatastrophen und Fluchtbewegungen führt. Was bräuchte es mehr als eine Macht, die Engel aussendet und die Menschen aus allen Himmelsrichtungen und allen Enden der Erde zusammenführt. Ist es so, dass mit der Gefahr auch das Rettende wächst?
Was haben wir also zu erwarten, Untergang oder Rettung? Offenbar beides. Weltreiche gehen unter, das haben wir im vergangenen Jahrhundert gesehen, Zeitalter vergehen, ganze Wirtschaftsbranchen verschwinden. Nach dem Evangelium geht es aber noch tiefer. Wo Sonne und Mond verfinstern, Sterne aus der Bahn geraten und der Kosmos erschüttert wird, verlieren wir den Halt und die Orientierung. Wenn die Welt, in der wir daheim sind, vergeht, fühlen wir uns verloren. Doch so wie unser Leben zu Ende geht, so geht auch unsere Zeit und unsere Welt zu Ende. Und so wie uns in unserem Leben der Boden unter den Füßen weggezogen werden kann durch Krankheit, Verlust naher Menschen oder von Arbeit und Einkommen, so können auch Natur- und Kriegskatastrophen unser Leben zerstören. Wir können uns weder abschotten noch absichern. Wir können allenfalls schauen, dass wir Katastrophen nicht selbst verursachen oder befeuern.

Die Endzeit wird beschrieben mit einem überraschenden Bild aus der Natur: Wenn der Feigenbaum, Blätter treibt, ist der Sommer nahe. Das überrascht. Wenn das, was wir kennen, vergeht, dürfen wir nicht übersehen, wo neues Leben entsteht, die Zeichen eines neuen Frühlings.

Drei Beispiele des Frühlings aus verschiedenen Zeiten möchte ich nennen: Am 11. November war der Feiertag von Martin von Tours, der im Jahr 316 im heutigen Ungarn geboren wurde. Sein Namenspatron war der römische Kriegsgott Mars, sein Vater römischer Berufsoffizier, dann Militärtribun. Der Vater hatte eine Soldatenlaufbahn für den Sohn vorgesehen, ihm missfiel Martins Interesse am Christentum. Martin musste zu den römischen Reitersoldaten nach Gallien, gefesselt wurde er zum Fahneneid gezwungen, schrieb sein Biograph Sulpicius Severus. Der 15jährige versuchte – noch nicht getauft – als Christ zu leben. „Er hielt sich frei von den Lastern, in die sich Soldaten gewöhnlich verstricken lassen. Seine Güte gegen die Kameraden war groß, seine Liebe staunenswert, Geduld und Demut überstiegen alles Maß", schrieb Sulpicius. So wird die legendäre Szene verständlich, in der der junge Gardesoldat vor dem Stadttor von Amiens seinen Umhang mit einem frierenden Bettler teilt und die ihn zum Heiligen der christlichen Nächstenliebe machte. Als 18-jähriger lässt sich Martinus in Gallien, außerhalb der Reichweite der Eltern, taufen. Er bleibt im militärischen Dienst. Der Pflicht eines Soldatensprösslings zum Militärdienst sich zu entziehen war nicht ohne Risiko. Im Jahr 356 steht Kaiser Julian im Feldzug gegen die Alemannen vor Worms und lässt Geldgeschenke an seine Soldaten austeilen. Als Martin vor dem Kaiser steht, weigert er sich, das Geschenk anzunehmen. "Bis heute habe ich dir gedient, erlaube mir, dass ich jetzt Gott diene. Ich bin ein Soldat Christi. Es ist mir nicht erlaubt, zu kämpfen." Weil die Feinde einen Waffenstillstand anboten, wurde ihm die Verweigerung des Kriegsdienstes nicht als Feigheit ausgelegt. Martinus steht mit seiner Entscheidung in der Tradition der frühen Kirche. Der Kirchenvater Origenes beschrieb sie so: „Wir Christen ziehen das Schwert gegen keine Nation. Wir lernen keine Kriegskunst mehr, denn wir sind Söhne des Friedens geworden durch Christus.“

Am Sonntag, 17. November, wird in Freiburg Max Josef Metzger seliggesprochen. Metzger war einen ähnlichen Weg wie Martinus gegangen. Als Feldgeistlicher hat er im Ersten Weltkrieg das „sinnlose Blutvergießen“ erlebt und wurde zu einem der bedeutendsten christlichen Friedensaktivisten. Er war Mitbegründer des Friedensbundes Deutscher Katholiken, des Vorläufers von pax christi und setzte sich gegen Nationalismus, für Abrüstung, für Ökumene, für soziale Gerechtigkeit und Völkerfrieden ein. Am 17. April 1944 wurde er von den Nazis hingerichtet. 

Eine Hoffnungsgestalt in einem der hoffnungslosesten Konflikte der Gegenwart ist Issa Amro aus Hebron im Westjordanland. Im Oktober erhielt der Gründer der „Youth Against Settlement“ den „Alternativen Nobelpreis“ dafür, dass er „Inhaftierungen, Folter und Angriffen zum Trotz sein Leben dem gewaltfreien Widerstand gegen die israelische Besatzung verschrieben“ hat, wie die schwedische Stiftung in der Begründung schrieb.
Es sind drei Beispiele für die Engel, die der Himmel aussendet, um Menschen zusammenzuführen, Hoffnungsboten des Lebens, des Friedens, der Gerechtigkeit und der Menschlichkeit durch die Erschütterungen ihrer Zeit hindurch.

Gebet
Gott, lass uns sein wie der Feigenbaum, 
der neues Leben zeigt,
der Bote der Wärme, des Lichts und des Sommers ist.
Lass uns dem Leben dienen, dem Frieden und der Gerechtigkeit 
und der Befreiung der Menschen.
Lass uns der Gewalt widerstehen und der Gleichgültigkeit.
Lass uns Leben bewahren und retten
wie Martin von Tours, wie Max Josef Metzger und wie Issa Amro.
Lass uns Boten des Himmels sein. Amen

Eine Revolution anzetteln
Im letzten Jahr meines Studiums hat das israelische Militär meine Universität geschlossen. Als ich morgens zur Universität ging, fand ich den Campus versiegelt vor, die Türen waren zugeschweißt. Ich wollte unbedingt meinen Abschluss machen. Also ging ich nach Hause, gebrochen, enttäuscht und sehr wütend. Ich suchte in der Yahoo-Suchmaschine nach 'how to create a revolution'. Ich wollte eine Revolution anzetteln. Glücklicherweise stieß ich zunächst auf Martin Luther King, der sich in der Bürgerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten engagierte, auf Gandhi und die Anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika. Ich studierte diese gewaltfreien Kampagnen und startete mit anderen Studenten eine Kampagne zur Wiedereröffnung der Universität, damit wir unseren Abschluss machen konnten. Von da an begann ich, Kampagnen zu führen, gewaltfreie Komitees, Organisationen und Bewegungen zu gründen. Wir verlangen Gleichheit, Gerechtigkeit und Freiheit als Palästinenserinnen und Palästinenser. Wir praktizieren gewaltlosen Widerstand vor Ort, um zu handeln, und wir haben viel erreicht. 
Issa Amro